06.12.11, 01:26
wenn wir eines von Katzen lernen können, ist es Beharrlichkeit. Gib Deinem Stummel noch ein bißchen Zeit und Liebe, bevor Du ihn vor eine Entscheidung stellst.
Meiner Mutter war mal, als ich im ersten Semester außerhalb studierte, meine Katze weggelaufen. Auf der Suche nach ihr schaute ich auch im Tierheim vorbei. Sie war nicht dort (die adligen Damen eines nahen Altersheims hatten sie eingefangen und lange eingesperrt gehalten), aber dort begegneten mir zwei Katzentiere, die meine Schwester und ich sofort mitnahmen. Das eine war ein verstörter, damals noch kleiner schwarzer Kater, den jemand aus einem höheren Stockwerk aus dem Fenster auf die Straße geworfen hatte: er knallte auf die Kühlerhaube eines Autos, der Fahrer sammelte ihn ein und brachte ihn ins Tierheim. Die Polizei konnte nicht ermitteln, wer das gemacht hat - obwohl das Haus bekannt war. Das andere war anfangs gar keine Katze: es waren nur zwei weit aufgerissene, angsterfüllte Augen. Mehr sah man nicht. Ich erfuhr, dass sie von einem Autofahrer auf einer vereisten Wiese am Rhein gefunden worden war: sie litt an einer schweren Lungentzündung, gebar kurz nach der Abgabe zwei Junge, die beide starben, und ließ sich von niemandem freiwillig anfassen: wild geboren und aufgewachsen scheute sie Menschen massiv.
Kaum hatte die Leiterin des Tierheims mit meiner Schwester den Raum verlassen, schlich ich mich zurück, sprach sie an: sie kam aus dem Heu an die Käfigtür und begann zaghaft zu schnurren. Fenster und Türen waren zu, ich öffnete den Käfig und nahm sie auf den Arm. Sie blieb ganz ruhig, auch als ich mit ihr (ungesichert) den Raum verließ und die anderen suchte. Dem Tierheimpersonal fiel der Unterkiefer runter, als sie mich mit dieser Katze sahen. Jemand schwafelte was von Wunder.
Zuhause fiel sie von einem Schrecken in den anderen: sie kannte weder Tisch- noch Stuhlbeine, erschrack vor jedem Haushaltsgeräusch, fiel im Grunde genommen von einer Panik in die andere und war vollkommen außer sich, als wir sie zum ersten Mal aufs Bett setzten: das war weich und gab nach - das machte ihr schreckliche Angst. Die ersten Wochen achteten wir nur darauf, dass sie den einen Raum nicht verließ, den meine Schwester und ich bewohnten. Zu sehen bekamen wir sie fast nie. Aber sie hatte Flöhe und das damals übliche Flohpulver wirkte nicht. Also wurde sie eingefangen und nochmal zum Tierarzt gebracht. Der fluchte, fing sich einen Floh, legte ihn unters Mikroskop und meinte dann, das seien Pferdeflöhe, da helfe nur ein ganz aggressives und für die Kleine gefährliches Flohmittel: einreiben, Kopf abdecken, dass sie nichts ableckt, nichts in die Augen bekommt etc., einwirken lassen, dann gründlich baden. Meine Schwester, der TA und ich sahen uns schweigend an. Er meinte: "Versuchen Sie´s. Ich drück Ihnen die Daumen, aber ich würds nicht machen." Wir versuchten es.
Panik ist eine absolut zu schwache Beschreibung für das, was die Kleine zunächst als Reaktion zeigte, als sie in die Badewanne gesteckt wurde. Natürlich fuhr sie alle Krallen und Zähne aus, natürlich versuchten meine Schwester, mein Bruder und ich, sie festzuhalten. Aber sie erwischte mit einer langen Kralle meine Hand und bohrte sie tief ins Fleisch. Das blutete heftig, die Wunde schwoll sofort stark an, ich hielt trotzdem fest und redete auf sie ein. Sie sah meine blutende Hand - und ließ sich fallen: völlig willenlos hing sie bei meinem Bruder im Arm, während meine Schwester sie abduschte und mir zubrüllte, ich solle sofort ins nahe Krankenhaus laufen. Das tat ich: das Flohmittel war eingedrungen und hatte die Schwellung verursacht. Schlimmer: sie hatte einen Nerv und einen Muskel so erwischt, dass der Ringfinger der linken Hand gelähmt war. Es hat Jahre gedauert und sehr viel Gymnastik, bis ich den Finger wieder voll bewegen konnte.
Die kleine Katze aber war von diesem Tag an wie verwandelt: zutraulich und vertrauensvoll, ohne jede Scheu vor uns. Sie durfte, kaum dass die Flohplage beseitigt war, aus dem Küchenfenster über einen großen Baum ins Freie und kam, sobald ich nach ihr rief nach Hause. Sie ist 17 Jahre alt bei uns geworden und dann an Kieferknochenkrebs gestorben. Und sie hat in meinen Augen die These widerlegt, dass wild geborene und aufgewachsene Katzen nie zahm werden.
Inse
Meiner Mutter war mal, als ich im ersten Semester außerhalb studierte, meine Katze weggelaufen. Auf der Suche nach ihr schaute ich auch im Tierheim vorbei. Sie war nicht dort (die adligen Damen eines nahen Altersheims hatten sie eingefangen und lange eingesperrt gehalten), aber dort begegneten mir zwei Katzentiere, die meine Schwester und ich sofort mitnahmen. Das eine war ein verstörter, damals noch kleiner schwarzer Kater, den jemand aus einem höheren Stockwerk aus dem Fenster auf die Straße geworfen hatte: er knallte auf die Kühlerhaube eines Autos, der Fahrer sammelte ihn ein und brachte ihn ins Tierheim. Die Polizei konnte nicht ermitteln, wer das gemacht hat - obwohl das Haus bekannt war. Das andere war anfangs gar keine Katze: es waren nur zwei weit aufgerissene, angsterfüllte Augen. Mehr sah man nicht. Ich erfuhr, dass sie von einem Autofahrer auf einer vereisten Wiese am Rhein gefunden worden war: sie litt an einer schweren Lungentzündung, gebar kurz nach der Abgabe zwei Junge, die beide starben, und ließ sich von niemandem freiwillig anfassen: wild geboren und aufgewachsen scheute sie Menschen massiv.
Kaum hatte die Leiterin des Tierheims mit meiner Schwester den Raum verlassen, schlich ich mich zurück, sprach sie an: sie kam aus dem Heu an die Käfigtür und begann zaghaft zu schnurren. Fenster und Türen waren zu, ich öffnete den Käfig und nahm sie auf den Arm. Sie blieb ganz ruhig, auch als ich mit ihr (ungesichert) den Raum verließ und die anderen suchte. Dem Tierheimpersonal fiel der Unterkiefer runter, als sie mich mit dieser Katze sahen. Jemand schwafelte was von Wunder.
Zuhause fiel sie von einem Schrecken in den anderen: sie kannte weder Tisch- noch Stuhlbeine, erschrack vor jedem Haushaltsgeräusch, fiel im Grunde genommen von einer Panik in die andere und war vollkommen außer sich, als wir sie zum ersten Mal aufs Bett setzten: das war weich und gab nach - das machte ihr schreckliche Angst. Die ersten Wochen achteten wir nur darauf, dass sie den einen Raum nicht verließ, den meine Schwester und ich bewohnten. Zu sehen bekamen wir sie fast nie. Aber sie hatte Flöhe und das damals übliche Flohpulver wirkte nicht. Also wurde sie eingefangen und nochmal zum Tierarzt gebracht. Der fluchte, fing sich einen Floh, legte ihn unters Mikroskop und meinte dann, das seien Pferdeflöhe, da helfe nur ein ganz aggressives und für die Kleine gefährliches Flohmittel: einreiben, Kopf abdecken, dass sie nichts ableckt, nichts in die Augen bekommt etc., einwirken lassen, dann gründlich baden. Meine Schwester, der TA und ich sahen uns schweigend an. Er meinte: "Versuchen Sie´s. Ich drück Ihnen die Daumen, aber ich würds nicht machen." Wir versuchten es.
Panik ist eine absolut zu schwache Beschreibung für das, was die Kleine zunächst als Reaktion zeigte, als sie in die Badewanne gesteckt wurde. Natürlich fuhr sie alle Krallen und Zähne aus, natürlich versuchten meine Schwester, mein Bruder und ich, sie festzuhalten. Aber sie erwischte mit einer langen Kralle meine Hand und bohrte sie tief ins Fleisch. Das blutete heftig, die Wunde schwoll sofort stark an, ich hielt trotzdem fest und redete auf sie ein. Sie sah meine blutende Hand - und ließ sich fallen: völlig willenlos hing sie bei meinem Bruder im Arm, während meine Schwester sie abduschte und mir zubrüllte, ich solle sofort ins nahe Krankenhaus laufen. Das tat ich: das Flohmittel war eingedrungen und hatte die Schwellung verursacht. Schlimmer: sie hatte einen Nerv und einen Muskel so erwischt, dass der Ringfinger der linken Hand gelähmt war. Es hat Jahre gedauert und sehr viel Gymnastik, bis ich den Finger wieder voll bewegen konnte.
Die kleine Katze aber war von diesem Tag an wie verwandelt: zutraulich und vertrauensvoll, ohne jede Scheu vor uns. Sie durfte, kaum dass die Flohplage beseitigt war, aus dem Küchenfenster über einen großen Baum ins Freie und kam, sobald ich nach ihr rief nach Hause. Sie ist 17 Jahre alt bei uns geworden und dann an Kieferknochenkrebs gestorben. Und sie hat in meinen Augen die These widerlegt, dass wild geborene und aufgewachsene Katzen nie zahm werden.
Inse