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Schneekatastrophe 1978/79 - Druckversion

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Schneekatastrophe 1978/79 - Gudrun - 16.12.20

Catana und Julius haben die im Coronafaden erwähnt.
Hab' grad versucht mich zu erinnern ... wir hatten im November 78 das 10 Jahre alte Häuseken bezogen mit der dunnemals zweieinhalbjährigen ersten Tochter und waren erstmal richtig glücklich damit.
Dann kam der erste Schock!
Im Wohnzimmer tropfte es fleißig durch die Decke  .... Eimer nach Eimer entleert.
Klempner kam und grinste sich eins: die Idioten haben die Außenwasserleitung übers nicht gedämmte Flachdach verlegt.

Dann kam die Schneebescherung ... ist hier wie alle Unbilden im Küstenbereich nie ganz so schlimm, weil wir im Inneren leben.
Aber die Schneewehen waren allüberall ... besonders aufregend vor den 4 m Glasfront des Wohnzimmers ... mindestens 1 m hoch. 
Norddeutsches Volk - ob solcher Massen daniedergestreckt - wusste nicht, wohin den Schnee schaufeln.

1979 treffe ich im Winter meine damalige Ärztin aufm Wochenmarkt, sie beäugt meinen Bauch: "na, wenn wir wieder so einen Winter
kriegen, machen wir eine Hausgeburt"
Die zweite kam Ende Januar 1980 zur Welt in aller Ruhe in einer entspannenden Geburtsstation.

Hatte das schon völlig vergessen ... danke fürs erinnern :tongue1:


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Unkrautaufesserin - 16.12.20

Weihnachten 78 hielt mein Großvater die letzte Predigt vor dem Ruhestand in Blankenburg im Harz. Natürlich waren alle seine Kinder anwesend, meine Schwester und ich als damals noch einzige Enkel ebenfalls. Ich war fünf, aber ich erinnere mich sehr gut. Auch Freunde waren da, das Pfarrhaus war groß und bot reichlich Schlafplätze.

Am Morgen des 31. war alles mit einer dicken Eisschicht überzogen, Schnee hatte schon vorher gelegen. Zwei Freundespaare gruben den ganzen Vormittag lang ihre Autos aus, sie mußten bis 24.00 die Republik verlassen haben... gegen Mittag war auch der Winterdienst gefahren und sie konnten los fahren.

Nach dem Essen fing es wieder an zu schneien, und das Thermometer fiel. Mein Vater stritt sich mit Großvati, danach beendeten wir den Besuch und fuhren in die Dämmerung. Mit dem Trabi.

Ich habe selten so gefroren wie auf dieser Fahrt. Die Heizung des Trabant war ein Witz, die Fenster weitgehend zugefroren, und draußen wütete der Schneesturm.  Bei Könnern fanden wir einen Winterdienst, der Richtung Leipzig fuhr und hängten uns an. In Leipzig waren alle Ampeln ausgefallen, und auf der großen Kreuzung vor dem Hauptbahnhof  rutschte ein Wartburg quer an uns vorbei und zerschellte am Ampelmast.

Auf der weiteren Fahrt bis nach Hause kamen wir durch viele kleine Dörfer und Städtchen, wo alle Leute mit Kerzen in den Wohnungen saßen... erst als wir zu Hause den Lichtschalter betätigten, dämmerte uns, warum. Kein Strom.

Zum Glück hatten wir im Bad einen Heizkörper, der mit Gas betrieben wurde. Der funktionierte, und wir saßen zu viert mit Kerzen im Bad, bis wir Kinder ins Bett mußten. Über Nacht hat der Kachelofen dann das Wohnzimmer auch wieder benutzbar gemacht.

Der großflächige Stromausfall war entstanden, weil die Rohbraunkohle auf dem Weg vom Tagebau zum Kraftwerk in den Waggons festgefroren war. Die Kraftwerke hatten keinen Brennstoff mehr und gingen aus. In dieser Nacht starben auf der Kinderstation in Karl- Marx- Stadt 4 Frühgeborene im Brutkasten, weil der Diesel für die Notstromaggregate in den Leitungen geliert war. Die Generatoren sprangen nicht an, als der Strom ausfiel.


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Julius - 16.12.20

Ich fuhr mit meiner Großmutter zusammen am 1. Weihnachtsfeiertag meinen Onkel im Norden besuchen. Hier bei uns war es fast frühlingshaft warm, so war auch mein Köfferchen bestückt. Am Silvesternachmittag begann es in dicken Flocken zu schneien und es hörte einfach nicht mehr auf. Ich fror wie ein Schneider, drin hielt uns freilich nichts bei dieser Winterwonne, aber draußen war‘s halt für mein bisschen Klamotte auch zu kalt. Dementsprechend hat‘s mich dann ins Bett verbannt, ich schaute dem Schnee beim Fallen zu. Der Strom fiel auch aus, natürlich genau zur Mittagessenkochzeit, meine Tante führte Trennkost :laugh: ein, indem sie auf einem Kocher - Fondue oder so, keine Ahnung - einen Topf nach dem anderen erhitzte. Wir aßen also der Reihe nach, erst Kartoffeln, dann Beilage, dann Fleisch ... zog sich n bisschen hin.  :lol:

So viel Schnee! Tantchens kleines Auto war in den Schneemassen völlig verschwunden und wir kamen nicht mehr nach Hause, alles war dicht, man kam nicht einmal aus der Stadt raus. Das hat mich damals ziemlich beängstigt. Irgendwann bot sich dann die Gelegenheit hinter Schneepflügen auf der Autobahn Nacht Hamburg zu fahren, von dort aus gingen schon wieder Züge. 

Was für ein Abenteuer!   Yes


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Catana - 16.12.20

Ich muss echt mal meine Mutter fragen, möglich aber auch, dass das bei uns gar nicht so wild war und ich begeistert Schlitten gefahren bin oder wir waren gar nicht im Land. *kopfkratz* Das ist sogar ziemlich wahrscheinlich...ich glaub, ich geh nachher mal Fotos gucken...

Andere ganz doofe Frage und völlig OT...

Mechthild, wie war das eigentlich, wenn ohne eigene Schuld, das Auto geschrottet wurde? Musste man dann wieder ewig warten?

Mir fällt immer wieder auf, wie wenig ich über das wirkliche Leben in der DDR weiß, hab zwar einige prägnante Kindheitserinnerungen daran und eine völlig schräge von einer Klassenfahrt, aber das wars dann auch.


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Melly - 16.12.20

Ich weiß noch, dass wir im Winter 1978/79 gerade angefangen hatten, unser Haus zu bauen! Durch den langen Winter haben wir viel Zeit verloren, weil der Zimmermann den Dachstuhl nicht mehr fertig bekam, somit war es erst nach April möglich, zu richten!


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Julius - 16.12.20

(16.12.20, 21:43)Catana schrieb:  Mechthild, wie war das eigentlich, wenn ohne eigene Schuld, das Auto geschrottet wurde? Musste man dann wieder ewig warten?

Ich bin gespannt, was Mechthild sagt, aber ich tippe mal auf ja. Alldieweil ja nur bestimmte Stückzahlen produziert wurden, wo hätte also ein neues ungeplantes Auto herkommen sollen? Also, denk ich mir so ...


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Catana - 16.12.20

Vermutlich...der Winter dürfte wohl einige Autos gekostet haben. Klar, andere Dinge waren natürlich viel schlimmer, aber dennoch...

Eure Geschichten finde ich übrigens sehr spannend! smile Werde morgen mal telefonieren und nachhaken.


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Unkrautaufesserin - 17.12.20

Nein, man mußte nicht auf ein neues Auto warten. Man reparierte das alte Auto, und wenn nichts mehr verwendbar war als das Stück Fahrgestell mit der Nummer, dann wurde eben dieses Stück in ein Ersatzteil eingeschweißt.

Wir hatten einen Trabant, der 1962 gebaut worden war. Zuerst hatte ihn der Chef vom Schwager meines Vaters, aber der wurde Bereichsleiter und konnte sich einen Lada kaufen. Dann hatte ihn der Schwager, und als meine Eltern heirateten, kauften sie den Trabant mit der Hälfte des Ehekredits. Der Schwager hatte da gerade eine zuteilungsreife Wartburgbestellung.

In den späten Siebzigern war der Trabant ziemlich Schrott, aber der Schwager meiner Mutter war Karosserieklempner, ein in der DDR nicht mit Gold aufzuwiegender Berufsstand. Der bestellte eine neue Karosserie und baute alles um.

Ein paar Jahre später hatten wir einen Auffahrunfall und der Motorblock bekam einen Riß. Also mußten wir das Auto im Urlaub lassen, und 4 Wochen später hatte mein Vater einen Austauschmotor organisiert. Der wurde dann mit Bahnspedition aus Erfurt geliefert und eingebaut. Und dann fuhren wir mit dem Zug wieder nach Rostock und holten unser Auto heim.

Mangel macht erfinderisch, und jeder konnte irgendetwas oder hatte Zugriff auf eine knappe Ressource. Und dann wurden Beziehungen und Verbindungen und Gefälligkeiten getauscht. Und die meisten Waren wurden wohl wirklich unter der Hand gehandelt.


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Brennnessel - 17.12.20

Hallo,
Ich war mitten drin! Damals arbeitet ich auf Sylt und mit den Arbeitskolleginnen und der Chefin abgesprochen, das wir mit je zwei FreundInnen Sylvester im Heim feiern wollten. Mit zwei Leuten im Sauerland bei Mildentemperaturen losgefahren, ab Bremen sahen die Eis überzogenen Bäume sehr schön aus.
In Tarp, kurz vor Flensburg ging gar nichts mehr, Straßen vereist, Pensionen im Ort schon geschlossen, keine Möglichkeit uns aus der 2. getroffenen Schneewehe zu befreien. Zwei Personen mit Schlitten wollten noch jemand vom Bahnhof abholen, sie stammten ursprünglich aus dem Sauerland nicht weit weg von Iserlohn!
Als zivile Mitarbeiter bei der Bundeswehr konnten sie uns im SAN Bereich unterbringen. Dort haben wir mit zwei Berlinern die Tage über Sylvester verbracht und dürften nur bleiben weil wir uns bereit erklärt haben für warmes Essen und Getränke für die Soldaten im Dauereinsatz zu sorgen, Tag und Nacht.
Mit dem 1.Zug ging es dann am 3.oder 4.1. in verschiedene Richtungen, meine Freunde nach Hause, ich nach Sylt. Nach einer abenteuerlichen Reise mit Bahn (halt auf offener Strecke, weil wieder erst geräumt werden musste), Bus (saukalt, weil der Türmechanismus eingefroren war und die Tür ca. 10 cm offen stand) und Bahn, völlig ueberheizt, da nette Mitreisende die Heizung im Abteil für mich voll aufdrängen. Auf Sylt angekommen, traf ich auf einen mir bekannten Busfahrer, er machte gerade Pause und lud mich auf einen Grog ein, ich muss wohl ziemlich fertig ausgesehen haben. Seine Strecke führte am Heim vorbei und er setzte mich fast direkt vor der Haustür ab, die offizielle Haltestelle war ein ganzes Stück weiter... Noch durch eine letzte Schneewehe und ich fiel, völlig platt auf mein unbezogenes Bett und schlief sofort ein.
Der Anruf unserer Köchin, sie hatte die Stellung über Weihnachten im Haus gehalten, eine Kollegin wollte vom Bahnhof abgeholt werden. Sie war sehr froh, daß ich da war, hatte auf gut Glück angerufen. Ich schaufelte meinen (geliebten) R4 frei, zugeweht bis zur Türöffnung, und könnte losfahren. Die Straßen waren relativ frei, an der neuen Straße am Flughafen vorbei waren rechts und links Schneewehen und geräumtes ca. 6 m hoch aufgetürmt, der Wahnsinn
Die anschließende Zeit war auch deutlich anders, als im Jahr zuvor.
Gruß Birgit


RE: Schneekatastrophe 1978/79 im Norden - Cornelssen - 17.12.20

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