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Essen im Erzgebirge - Druckversion

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RE: Essen im Erzgebirge - Phloxe - 07.06.21

Regina, kennst du auch Kartoffelsuppe süß-salzig? Die wurde gekocht, wenn Brot gebacken wurde. Da gab es frischen Hefeblechkuchen dazu .. zum Mittagessen. 

Ich komme aus einer früher sehr armen Gegend. Es wurde nur alle 4 Wochen Brot gebacken. Manchmal wurde der letzte alte Laib 'aufgebacken' ... mit dem frischen Brot. Hatte den Vorteil, dass er besser schmeckte, aber den Nachteil, dass es das frische Brot - 2,5 kg-Laibe  - später gab.


RE: Essen im Erzgebirge - Regina - 08.06.21

Eine speziell süßsalzige Kartoffelsuppe habe ich nicht gefunden in meinen Unterlagen.

Es gibt eine sächsische Eintopfvariante namens "sießesaure Piepen", Kartoffelstücke, saure Gurken und wahlweise Rinderkochfleisch, Nierenstücke oder auch Würstchen/ Jagdwurst. Auch ganz ohne Fleisch geht natürlich.

Als das Kinderbauernhofprojekt vor ca. 25Jahren startete, schrieben die ehemaligen Besitzer des Hofs und ihre Nachbarn ein kleines Kochbuch zusammen mit den dort gebräuchlichen Rezepten. Ich habe es dann ergänzt mit Rezepten aus meiner Familie, und eine Freundin, die in der Marienberger Gegend für einen Pflegedienst arbeitet, hat Patientinnen ausgefragt. Vielleicht schreib ich ja noch ein Buch...

Nachher schreib ich noch was zum Abendbrot auf.


RE: Essen im Erzgebirge - Regina - 08.06.21

Das Abendbrot ist dem Sachsen im Allgemeinen und dem Erzgebirger im Besonderen eine heilige Institution. Nach dem Abendläuten 18.00 ist Feierabend, dann versammelt sich die Familie am Tisch und ißt Brot mit Beilage... so jedenfalls das Klischee. Sicher war es vor 2 Generationen weit verbreitet, wenn ich heute die Schlange bei McDonnels betrachtet habe, essen die heutigen Sachsen eher Pommes mit Burgern. Aber weil ich hier ja die Rezepte von anno Damals aufschreibe, frönen wir ein bißchen dem Klischee.

Natürlich ist es ein Roggenbrot, was auf dem Tisch liegt. Dazu gibt es oft Quark, gewürzt mit Kümmel und angebratener Zwiebel. Wurst gibt es selten, höchstens Leberwurst und Blutwurst.

Speckfett hingegen ist beliebt, und der Ausdruck: " Du strahlst wie eine Fettbemme" beschreibt einen Gesichtsausdruck hohen Glücks.
Es wird gern mit geschmorten Äpfeln gewürzt, mit geschmorten Zwiebeln oder natürlich mit Majoran. Wie Ihr vielleicht schon bemerkt habt, ist Majoran ein sehr beliebtes Gewürz.

Wer es gern deftig mag, ißt zum Brot geschmorte Zwiebeln. Die Zwiebeln werden nicht braun gebraten, sondern auf schwacher Hitze weichgeschmort, Köche sagen dazu konfituriert. Dann kann man sie gut aufs Brot streichen.

Käse ist zum Abendbrot beliebt, im Erzgebirge ißt man hauptsächlich Magermilchkäse, Leichenfinger oder Stangenkäse mit und ohne Kümmel. Dann hatte man die Butter für den Kuchen.

Ist eine größere Menge Magermilchkäse fast drüber, macht die erzgebirgische Hausfrau Schiebböcker daraus. Der Schiebebock ist ein Schubkarren, auf dem Händler erzgebirgische Waren, Kräutertinkturen und Holzspielzeug ins Land brachten.

Schiebböcker hingegen ist ein Kochkäse, und er geht so:
Man brät in Butter ein wenig Mehl an. Dann läßt man den Käse langsam darin zerlaufen. Dazu kommt ein Schnaps und so viel Milch, daß die Masse sämig wird.
Mit Salz und Pfeffer würzen und ordentlich Kümmel unterrühren, dann muß das Ganze 24 Stunden ziehen.
Aufs Brot gestrichen schmeckt es sehr lecker, manche legen auch noch ein paar geschmorte Zwiebeln darauf.

Und während des Sommers und Herbsts gibt es natürlich immerzu gebratene Schwamme aufs Brot. Ich kann sie wirklich fast jeden Tag essen.


RE: Essen im Erzgebirge - Gudrun - 08.06.21

Zitat: Vielleicht schreib ich ja noch ein Buch...

ist vielleicht eine gute Entscheidung -  am besten zusammen mit deiner "ausfragenden" Freundin aus dem Pflegedienst ...

Ich finde ehrlich gesagt an diesen erzgebirglerischen Essensvor ~ oder nachschlägen so gar keinen Gefallen.
Weiß auch nicht recht, wozu solcherlei uns heutzutage irgendwie anregen könnte.
Einem Klischee zu frönen - wozu soll das gut sein?


RE: Essen im Erzgebirge - Phloxe - 08.06.21

Ich finde Reginas Ausführungen interessant.  smile ... und lese gerne, was sie schreibt.

Regina, vielleicht erzählst du auch mal etwas von dem Schulbauernhof? Ich kenne so etwas gar nicht.


RE: Essen im Erzgebirge - susima - 09.06.21

Ja, denn an so einem Schulbauernhof sind wir vor 2 Wochen in der Gegend vom Attersee vorbeigewandert.
Es war alles da, was so einen Bauernhof (aus der Sicht eines Stadtbewohners) ausmacht, nur viel "aufgeräumter".
Wie sich so ein Tag am Bauernhof für Schulkinder am Bauernhof abspielt, würde mich auch interessieren.


RE: Essen im Erzgebirge - Regina - 09.06.21

Gudrun, es tut mir leid, daß Du mit meinen Geschichten und Rezepten nichts anfangen kannst. Ich wurde gefragt,da gebietet es die Höflichkeit, zu antworten. Mit meiner Freundin werde ich eher kein Buch schreiben. Anders als ich hat sie noch 20Jahre bis zur Rente, im Pflegedienst im ländlichen Raum ist das lebenszeitfüllend. Und seit sie meinem Mann keine Medikamente mehr verabreichen muß,  schicken wir uns hauptsächlich Fotos von Regenbögen, Gewitterwolken und Sonnenauf- und Untergängen. Per Messengerdienst.

Phloxe und Susima, der Kinderbauernhof ist eigentlich ein Schullandheim. Nach der Wende wurde das Gelände eines großen Vierseithofes von der LPG in sehr schlechtem Zustand zurückgegeben. Die Besitzer waren alt, die Kinder mit der Riesenaufgabe überfordert. Die Gemeinde wollte gern eine Riesenruine vermeiden und suchte nach Ideen, ein junges Ehepaar mit landwirtschaftlicher und pädagogischer Bildung witterte eine Chance, in der Heimat Arbeit zu finden. Es wurde ein Verein gegründet, die Gebäude mit Fördermitteln bis hoch zur EU saniert.
Inzwischen gibt es 3 Pädagoginnen, den Landwirt und mehrere Praktikanten für Erlebnispädagogik und Freiwilliges Ökologisches Jahr.
Zwei  Schulklassen finden Platz zum Schlafen, meistens kommen Dritte Klassen, weil die im Sachkundeunterricht  die Themengebiete Landwirtschaft und Ernährung behandeln. Dann machen sie ihre dreitägige Klassenfahrt zu uns und sehen das Huhn und das Schwein mal in Echt.

Der Bauernhof hat Wiesen und einen Teich, einen Erlebnisspielplatz und ein Wäldchen. Ein kleines Feld trägt verschiedene Getreidesorten und Kartoffeln, es gibt einen Gemüsegarten und  ein Kräuterbeet.

Im Stall wohnt ein Pony und zwei Kühe, die auch gemolken werden. Von Hand, was die Kinder auch gern probieren können. Außerdem gibt es eine Familie Hängebauchschweine, die extrem verschmust sind,  Hühner und Kaninchen.
In der Scheune ist ein großer Indoorspielplatz für Schlechtwetter, und es gibt ein Backhaus.

Meine Aufgabe war es nicht nur, 5 Mahlzeiten für die Kinder und ihre Betreuer zu fertigen, wobei Kaffee und Abendbrot nur bereitgestellt werden mußten. Ausgereicht wurde das von den Praktikanten. Außerdem habe ich mit den Kindern Projekte ums Essen gemacht. Brot selber backen war extrem beliebt, aber auch Eintopf kochen, Pizza oder Kuchen backen, vegetarische Ernährung, aus Milch wird Käse, mit Kräutern kochen, die Klassen können aus verschiedenen Angeboten auswählen und die entsprechenden Kurse buchen.
Mit den Kindern zu arbeiten hat mir richtig viel Spaß gemacht, auch wenn ich jetzt die Ruhe genieße.

Auf dem Weg zum Garten lachten mich heute wieder ein paar schöne Anisegerlinge an. Heute Mittag koche ich also Schwammetopf auf meinem Kanonenöfchen, und zum Brot heute Abend gibt es Schwammeschnitzel Nyam, Rezept folgt. Jetzt regnet es nicht mehr, also gehe ich erst einmal Unkraut zupfen.


RE: Essen im Erzgebirge - Melly - 09.06.21

Also mich würde jetzt mal das Thema "Aus Milch wird Käse" interessieren. Kannst Du da was drüber erzählen, was man so braucht und so. 
Unsere alte Bäuerin hat das praktiziert, gebuttert etc., aber ich war damals zu jung, um mich da rein zu fragen. Heute würde ich ihr auf der Pelle sitzen. 
Wir bekommen unsere Milch noch von unserem Hofbauern, haben also alle Möglichkeiten, damit was "anzustellen", außer Joghurt zu bereiten. Der Quark vom Hofbauern schmeckt total anders als der, den man im Laden kauft.


RE: Essen im Erzgebirge - Regina - 09.06.21

Das kann ich gerne machen, sehr viel brauchst Du nicht. Aber es  kommt auf die genaue Temperatur an, und die müßte ich noch mal nachsehen. Also morgen?


RE: Essen im Erzgebirge - susima - 09.06.21

(09.06.21, 09:26)Regina schrieb:  Phloxe und Susima, der Kinderbauernhof ist eigentlich ein Schullandheim. Nach der Wende wurde das Gelände eines großen Vierseithofes von der LPG in sehr schlechtem Zustand zurückgegeben. Die Besitzer waren alt, die Kinder mit der Riesenaufgabe überfordert. Die Gemeinde wollte gern eine Riesenruine vermeiden und suchte nach Ideen, ein junges Ehepaar mit landwirtschaftlicher und pädagogischer Bildung witterte eine Chance, in der Heimat Arbeit zu finden. Es wurde ein Verein gegründet, die Gebäude mit Fördermitteln bis hoch zur EU saniert.
Inzwischen gibt es 3 Pädagoginnen, den Landwirt und mehrere Praktikanten für Erlebnispädagogik und Freiwilliges Ökologisches Jahr.
Zwei  Schulklassen finden Platz zum Schlafen, meistens kommen Dritte Klassen, weil die im Sachkundeunterricht  die Themengebiete Landwirtschaft und Ernährung behandeln. Dann machen sie ihre dreitägige Klassenfahrt zu uns und sehen das Huhn und das Schwein mal in Echt.

Danke für die Erläuterung smile
Das ist doch eine richtig gute Einrichtung.