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Rosenverwechslungen - Druckversion

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Rosenverwechslungen - Raphaela - 14.12.11

Das ist ein trauriges und stetig wachsendes Problemfeld...

Beispiel "Himmelsauge" und Russeliana: Russeliana ist seeeehr variabel, je nach Saison und Standort können die Blüten mal mehr pink, mal mehr purpurviolett sein, mal formeller, mal informeller und mal einfarbiger, mal "bunter"...Bisher waren alle "Himmelsauge", die ich irgendwo gesehen abe, Russelianas. Ich glaube aber schon, daß es früher auch echte Himmelsauge-Pflanzen gab, inzwischen scheinen sie aber mehr oder weniger verschollen zu sein :-/

Nun zur Frage, wie solche Verwechslungen passieren können...M. E. steckt da in seltensten Fällen böswillige Absicht dahinter. Eher Geschichten wie diese:

Verwechslungen beim Reiserschnitt:
Beispiel Daniel Lâcombe. - In Sangerhausen (wo ich bis 2006 seit 2001 mindestens einmal im Jahr war) stand diese Sorte (deren Identität m.W. inzwischen auch angezweifelt wird, obwohl sie historischen Beschreibungen entspricht, was aber hier jetzt egal ist) in einem relativ schattigen Eck-Bereich zwischen vielen Noisettes. Alle Pflanzen waren an Holzstangen aufgebunden. Daniel Lâcombe ist einmalblühend und eine (schattenverträgliche) Multiflora. Dadurch hatte diese Sorte natürlich einen enormen Wachstums-Vorteil gegenüber den öfterblühenden und sonnenbedürftigeren Noisettes drum herum. Immer wenn ich da war, hingen DL - Triebe weit über die anderen Holzpfähle, über der Treppe zum Café und auch an den Noisette-Pfählen herunter.
Nun muß man wissen, daß es viele seltene Sorten nur noch in Sangerhausen gab/gibt. Rosenschulen oder Privatleute), die davon Reiser brauchten, mußten sie also dort "bestellen". In Eile und/oder durch nicht gelernte Kräfte geschnitten, kann/konnte es gut sein, daß statt dieser oder jener seltener Noisette-Triebe, die am selben Holzpfahl herunter hängenden DL-Triebe zur Reisergewinnung beschnitten wurden. - So erkläre ich mir zumindest, daß man in vielen Fällen, in denen man eine Noisette-Rarität bei einer Rosenschule bestellt (e), stattdessen Daniel Lâcombe bekam...
Wenn Mutterpflanzen dicht beisammen stehen und quasi ineinander oder übereinander wachsen, ist es sehr schwer, die Augen von der richtigen Sorte zu schneiden. - Das ist m.E. ein sehr häufiger Grund für Verwechslungen.

Kriegs- und Notzeitenwirren:
Durch Kriege, Fluchten, Kampfhandlungen, Notzeiten und Reparationen sind schon viele Sammlungen verloren gegangen, bzw. zumindest teilweise beschädigt worden. Z.B. haben die russischen Kommandanturen nach dem letzten Krieg (verständlicherweise -/) sehr viele Pflanzen aus Sangerhausen als Reparation in die UdSSR gebracht.
Auch sind in diesen schwierigen Zeiten wohl viele Schilder verloren gegangen oder beschädigt worden (möglicherweise auch in L´Haye durch die deutschen Invasionen und Nachkriegswirren, das wäre zumindest interessant zu erforschen).
- So erkläre ich mir, daß einige Rosen mit falschen, aber ähnlichen Namen gekennzeichnet sind: Die Schilder waren nur noch teilweise lesbar oder erhalten, daher sind Namensbestandteile weggefallen. Beispiel: Aus Duchesse de Montebello wurde (zumindest in einem Quartier) in Sangerhausen "Montebello" (müßte eigentlich eine rote Re montant Rose sein).
Wie groß Schäden an Pflanzen und Schildern erst an Rosarien waren, die durch den Krieg in andere Hände übergingen, verwilderten oder komplett aufgelöst wurden kann man sich dann ja vorstellen :-/

Unbemerkte Namens-Übernahme durch eine Nachbarpflanze:
Das passiert bei wurzelechten sehr schnell. Die eine geht ein (wurde vielleicht durch Wühlmäuse gefressen), die Nachbarpflanze übernimmt durch Ausläufer ihren Platz. Das Schild vor der verschwundenen Sorte steht noch, aber die Rose hinter dem Schild ist eine andere.
Beispiel: L´Enchanteresse und de Shelfhout 2003 in Sangerhausen, gegenüberstehend und beide identisch (wie auch Monsieur Joyaux bestätigte, den ich dazu holte, war grade Welt-Rosenkongress dort, welche von beiden nun überlebt hatte, konnte er aber auch nicht sagen).

Enthusiastischer Übereifer:
Sammler, die nach langem Suchen unter großen Mühen doch noch eine Rarität irgendwo auftreiben (z.B. aus dem Ausland) haben oft das Bedürfnis, die Verantwortung für so eine Kostbarkeit und die Freude daran möglichst schnell zu teilen...Wenn die Farbe der neuen Pflanze stimmt, ist die Versuchung groß, sie für echt zu halten und schnell Reiser zu Vermehrungszwecken weiter zu geben...Oft stellt sich dann aber später heraus, daß es doch eine andere Sorte ist:crying:
Mir ist das z.B. mit "Armide" passiert, die sich im Folgejahr (mit mehr als wei Jungpflanzen-Blüten) als Mme Plantier entpuppte, da hatte ich sie aber schon zum Veredeln geschickt:blush:
Ich muß mich daher bei allen entschildigen, die eine "Armide" bestellt und dann (womöglich eine zweite :-/) Mme Plantier bekommen haben, sorry!
Seitdem bin ich viel vorsichtiger geworden und beobachte neue Raritäten länger (oder gebe sie, wenn, dann mit ? gekennzeichnet weiter).
Mit Sicherheit sind solche Geschichten aber schon häufiger auch bei anderen passiert.

Zu großer Geschäftssinn von Rosenschulen:
Mit Sicherheit gab es dieses Phänomen schon vor hundert Jahren und mehr...Eine neue und/oder berühmte Sorte wird mehr nachgefragt als verkaufsfertige Pflanzen zur Verfügung stehen, ihr genaues Aussehen ist aber (noch) nicht (oder nicht mehr) so allgemein bekannt...In solchen Situationen war (besonders in schwierigen Zeiten) die Versuchung sicher oft größer als das Verantwortungsbewußtsein...Die Folge: Relativ ähnliche Sorten ("die Kunden merken´s ja eh nicht) wurden unter falschen Namen verschickt und dann auch darunter weiter verbreitet. - Die Zeit potenziert solche Fehler leider :-/

Namens-Doppelungen:
Leider gab es die Verwendung derselben Namen für verschiedene Pflanzen auch schon früher. Z.B. wenn ein Züchter einen Namen besonders toll fand, eine Züchtung darunter auf den Markt brachte, ihn aber später für eine neuere, "bessere" Sorte angemessener fand.
Beispiel: Juno, gibt´s (u.a.) einmal als rosa Bengal Hybride, einmal als weiße (vom selben Züchter! :-O).
Besonders beliebte Rosennamen wurden zusätzlich auch von verschiedenen Züchtern für jeweils eigene Züchtungen verwendet...
Daher gibt es oft zu ein und demselben Namen verschiedene Rosen.
Jüngeres Beispiel Kordes: Die klauen ganz dreist Namen bewährter und beliebter älterer Sorten anderer Züchter wie z.B. Schneewittchen (eigentlich eine Lambert Polyantha von 1901), Moonlight (eigentlich eine Pemberton Moschata) oder Aloha (eigentlich eine Boerner-Züchtung) :thumbdown:

Verwendung verschiedener Synonyme:
Sehr alte, europäische Garten Hybriden, die frosthart, robust und auf eigener Wurzel nahezu "unkaputtbar" waren und dazu sehr beliebt, waren teilweise schon vor 200 Jahren (und länger) so verbreitet, daß sie in verschiedenen Regionen jeweils eigene Namen bekamen. Ein Beispiel ist Great Maiden´s Blush, für die HMF mindestens 20 Synonyme aufzählt. Zieht man davon ein paar ab, die (zumindest früher) evtl. doch andere Sorten bezeichneten, bleiben noch immer viele übrig...
(Ganz abgesehen davon, daß sie keine reine Alba ist und "Great" MB, "Small" MB und ähnliche Bezeichnungen maximal regional unterschiedliche Klone, aber keine eigenständigen "Sorten" bezeichnen).
Noch ein Beispiel: La Villageoise - So lautet eins der Synonyme von R. centifolia "Variegata" aber auch die Bezeichnung einer gestreiften Gallica - Verwechslungen vorprogrammiert!

Fehlerhafte Identifizierungen:
Auch sowas passierte schon vor langer Zeit und tut es immer noch...Jemand entdeckt eine Fundrose, die zu einer historischen Beschreibung und/oder Illustration zu passen scheint und bringt sie unter diesem Namen in Umlauf, was sich später aber als fehlerhaft erweist, da ein oder mehrere Details doch nicht passt/passen. - Schwieriges Gebiet, also Vorsicht!




RE: Rosenverwechslungen - Raphaela - 14.12.11

...Wenn man sich dazu vergegenwärtigt, daß Verwechslungen durch fehletikettierte Pflanzen in Sammlungen (von wo aus sie u. a. auch in weitere Sammlungen gelangen) und Rosenschulen (die sie aus diesen Sammlungen beziehen) sehr schnell und weit verbreitet wurden/werden können...Dann kann man sich eigentlich nur wundern, daß es doch noch einige Rosensorten gibt, die wohl tatsächlich noch unter den richtigen Bezeichnungen im Handel sind.

Eine weitere Fehlerquelle können falsch abgebildete Pflanzen in Büchern und Katalogen sein:
Der jeweilige Autor hatte/hat ein feletikettiertes Exemplar (von dessen falscher Benennung er nichts weiß) vor Augen und die Illustration/das Foto sowie die Beschreibung beinhalten dann diese Verwechslung...Wenn das Buch von einem in der Rosenwelt anerkannten Auror stammt und/oder eine hohe Auflage hat, kommen selten Zweifel auf...Andere oder spätere Autoren übernehmen den Fehler, ohne eigene Recherchen zu betreiben, die echte Sorte gerät nach und nach in Vergessenheit...Schon nach wenigen Jahrzehnten (oder sogar Jahren) gilt die verwechselte Sorte dann als die echte und übernimmt ihren Platz...
Eigene Recherchen in möglichst vielen verschiedenen historischen Literaturquellen und detaillierte Vergleiche können dieses Risiko minimieren. Oft gehört allerdings einiger Mut dazu, Verwechslungen renommierter Rosenwelt-Kapazitäten öffentlich anzuzweifeln, darum passiert das nicht oft.

Verwechslungen in Rosenschulen:
Passieren nicht nur beim Reiserschneiden, sondern öfter vielleicht auch durch in Eile in falsche Fächer abgelegte wurzelnackte Rosen, falsche oder abgefallene Beschilderungen beim/nach dem Veredeln, vorwiegend wahrscheinlich durch weniger erfahrene Mitarbeiter...In Familienbetrieben, wo der Vermehrer (und/oder die ganze Familie) das Veredeln selbst übernimmt (oder zumindest ständig beaufsichtigt) kommen solche Verwechslungen meiner Erfahrung nach seltener vor als in Betrieben, die das ganz oder teilweise delegieren. - Natürlich haben solche Betriebe einen höheren Aufwand, das sollten Sammler m.E. honorieren und nicht über evtl. etwas höhere Preise meckern.

Warum behalten Rosenschulen manchmal Verwechslungen unter falschen Namen im Sortiment/Katalog?
- Das liegt daran, daß die Ursprünge dieser Verwechslungen (wie z.B. Souvenir d´Alphonse Lavallée und Erinnerung an Brod) oft schon lange zurück liegen und entsprechend viele fehletikettierte Pflanzen ausgeliefert wurden...Diese stehen dann als wunderschöne, etablierte Pflanzen in vielen Gärten, wo sich Rosenkunden in sie verlieben und genau diese von ihnen bewunderten Pflanzen für den eigenen Garten bestellen möchten...Würden die Rosenschulen (die inzwischen Kenntnis von den Verwechslungen haben) die Bezeichnungen plötzlich ändern, wären wahrscheinlich viele Kunden enttäuscht: Sie belämen dann zwar die echte Sorte, wollten aber eigentlich diejenige, die sie unter falschem Namen gesehen hatten.
Darum muß man m. E. den Rosenschulen zumindest eine Übergangszeit einräumen, in der sie beide Bezeichnungen (mit einem Hinweis auf das "Synonym") erstmal beibehalten.


RE: Rosenverwechslungen - Unkrautaufesserin - 14.12.11

Ich glaube, bei Rosen ist das Identifizieren genau so schwierig wie bei Äpfeln...:thumbdown:

Da bin ich schon ein paar Jahre dran, und immer noch keinen Schritt weiter...

Liebe Grüße, Mechthild


RE: Rosenverwechslungen - Raphaela - 14.12.11

Äpfel (und andere Obstsorten) stell ich mir noch viiiiel schwieriger vor :-/

Bei Rosen ist es zum Glück so, daß manche wirklich sehr markante Merkmale haben, es zu vielen detaillierte Literaturbeschreibungen (oft auch Illustrationen) gibt und eine immer größer werdende, internationale Sammler-Szene zum Erfahrungsaustausch. - Trotzdem wird ein großer Teil aller Fundrosen wohl für immer unidentifiziert bleiben und mit Arbeitsnamen auskommen müssen...Hauptsache, die Namenlosen werden trotzdem weiter vermehrt und verlieren nach dem Namen nicht auch die Existenz.